Poetik und Ästhetik des Staunens
Ein Sinergia-Projekt des Schweizerischen Nationalfonds
Staunen wird seit der Antike als zentrales Moment von Erkenntnisprozessen und Wissenskulturen gesehen, spielt aber auch in Überlegungen zur Kunst-Rezeption und Kunst-Wirkung eine wesentliche Rolle. Ziel des Projekts war es, im Moment des Staunens diese enge Verflechtung und gegenseitige Abhängigkeit von Wissenschaft und Dichtung, von experimenteller Forschung und Imagination, von Technik und Kunst herauszustellen. Als Phänomen, das genuin mit Wissen und Wahrnehmung verbunden ist, indem es eine epistemische Grenze indiziert, die sich sowohl auf logisch-reflektiertes Wissen beziehen kann als auch auf Wahrnehmungs- und Erfahrungswissen, ist Staunen einerseits an Wissenstraditionen sowie Verfahren der Wissensgenerierung und -vermittlung geknüpft, andererseits mit projektierenden Prozessen der Vorstellung und Imagination, der Weltsetzung und -ordnung verbunden. Staunen konstituiert sich so als Schnittpunkt epistemischer, poetischer und ästhetischer Diskurse.
Das Projekt schlug dabei einen Bogen vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert und berücksichtigt drei sprachlich-kulturell unterschiedliche, jedoch eng vernetzte Literaturen und Kunsttraditionen. Das ermöglicht einerseits, sich wandelnde Vorstellungen von dem, was Staunen ist, genau zu beobachten. Anderseits ließ sich verfolgen, wie "Staunen" – immer in der Spannung zwischen Erkenntnis und Erfindung gesehen – je nach kulturellen und historischen Kontexten in verschiedenen Deutungs- und Wertungssystemen eine Rolle spielt.
Davon ausgehend arbeitete dieses Sinergia-Projekts die Relevanz des Staunens für Poetik und Ästhetik sowohl in historischer wie systematischer Perspektive heraus. Eine Systematik von Frageperspektiven und theoretisch fokussierten Problemstellungen zielte dabei auf die Erarbeitung grundlegender Beobachtungen bezüglich einer Poetik und Ästhetik des Staunens: 1. Transgression und Arretierung; 2. Artifizialität; 3. Visualität
Das Sinergia leistete mit seiner Forschung nicht nur einen entscheidenden Beitrag von Seiten der Literaturwissenschaft zu den in letzter Zeit aktuellen Debatten zu ästhetischen Emotionen und zum Verhältnis von Wissen und Literatur, sondern auch zu der Frage nach dem Selbstverständnis von Literatur in einer Wissensgesellschaft.
Projektleitung
Koordinatorin: Dr. des. Constanze Geisthardt (Universität Zürich)
Dr. Maximilian Benz (Vertretung von Constanze Geisthardt)
Teilprojekte
TP 1: Poetik des Staunens in Mittelalter und Früher Neuzeit
Leitung: Prof. Dr. Mireille Schnyder, Deutsches Seminar, Universität Zürich
Mitarbeiterin: MA Selena Rhinisperger
Leitung: Prof. Dr. Johannes Bartuschat, Romanisches Seminar, Universität Zürich
Mitarbeiterin: : lic. phil. Andrea Elmer
TP 3: Poetiken des Staunens vom späten 17. bis frühen 19. Jahrhundert
Leitung: Prof. Dr. Nicola Gess, Deutsches Seminar, Universität Basel
Mitarbeiter: MA Micha Huff